97. Deutscher Bibliothekartag – Rückschau

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Wissen bewegen – Bibliotheken in der Informationsgesellschaft

Unter diesem Motto fand vom 3. bis 6. Juni 2008 der 97. Deutsche Bibliothekartag im Congress Center Rosengarten in Mannheim statt. Veranstalter waren der Verein Deutscher Bibliothekare e.V. (VDB), Berufsverband Information Bibliothek e.V. (BIB) und Deutscher Bibliotheksverband e.V. (dbv). Es ging um die Themen Wissen, Information und Bildung, die den Arbeitsalltag in öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken wesentlich bestimmen. Bibliotheken leisten nicht nur Sprach- und Leseförderung, sondern ermöglichen vielen Menschen elementare Informations- und Wissensmöglichkeiten. Das ganze Programm in seiner Vielfalt darzustellen, würde den vorhandenen Rahmen sprengen. Dennoch sollen einige für öffentliche Bibliotheken interessante Veranstaltungen kurz vorgestellt werden – es werden nur punktuelle Beiträge herausgegriffen.

Zu den erwähnenswerten Hauptveranstaltungen zählte der Programmpunkt „Bibliotheken und Politik“, veranstaltet vom Dachverband Bibliothek & Information Deutschland (BID) und moderiert von dessen Präsidentin Barbara Lison. Sie stellte ein neues Strategiepapier „21 gute Gründe für gute Bibliotheken“ vor, welches die Inhalte von „Bibliothek 2007“ fortschreiben soll und konkrete Forderungen für öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken in Deutschland gut lesbar formuliert. Der Text mit dem ursprünglichen Arbeitstitel „Bibliothek 2012“ richtet sich in erster Linie an Politikerinnen und Politiker sowie an die Unterhaltsträger von Bibliotheken und soll geeignete Argumente für politische Gespräche auf Bundesebene wie auch auf regionaler Ebene liefern. In einem eigens dafür eingerichteten Blog können sich alle Mitarbeiter von Bibliotheken und Interessierte am Diskussionsprozess beteiligen.

Ein zweiter Schwerpunkt lag auf der derzeit wieder stärker in den Vordergrund gerückten Initiative zu Bibliotheksgesetzen. Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“ empfiehlt den Ländern, die Aufgaben und Finanzierung der öffentlichen Bibliotheken in Bibliotheksgesetzen zu regeln. Einige Bundesländer haben bereits einen Vorstoß zur Formulierung eines Gesetzes gemacht (vgl. die Berichterstattung auf ÖBiBonline). Der dbv hat nun nach einer umfassenden Auswertung von Bibliotheksgesetzen anderer Länder Europas ein Musterbibliotheksgesetz entworfen und allgemeine Informationen dazu auf seiner Homepage hinterlegt, wie Prof. Dr. Gabriele Beger, Vorsitzende des dbv, auf dem Bibliothekartag erläuterte.

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion über Landesbibliothekskonzepte stellte u.a. Dr. Rolf Griebel, Generaldirektor der Bayerischen Staatsbibliothek, das erfolgreiche Konzept der Bayerischen Staatsbibliothek mit seiner Zuständigkeit für Aufbau und Erhalt des gesamten Bibliothekswesens in Bayern vor, wobei die Förderung der öffentlichen Bibliotheken im Rahmen der Landesentwicklungsplanung inbegriffen ist.
Als besonders wirksam hat sich das bayerische Konvergenzkonzept erwiesen, in dessen Zentrum die Bildung eines kooperativen Leistungsverbundes steht und das auch die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“ gewürdigt hat. Dieser strukturelle Lösungsansatz basiert auf drei Säulen: Vernetzung und Bündelung der Kräfte der wissenschaftlichen Bibliotheken, Ausschöpfung des Potentials der BSB für die Literatur- und Informationsversorgung der bayerischen Hochschulen und kooperativer Aufbau der Virtuellen Bibliothek Bayern.

Gleich mehrere Veranstaltungen standen zum Schwerpunkt „Bibliotheken als Bildungspartner“ auf dem Programm. Die dbv-Expertengruppe Bibliothek und Schule (Moderation: Ronald Schneider, Oberhausen) hatte unter dem Motto „Bibliotheken als Bildungspartner der Schulen – Schulbibliotheken als Basis der neuen Lernkultur“ verschiedene Beiträge zusammengestellt. Einen aktuellen Überblick „Bibliotheken und Schulen auf dem Weg zu einer engen Bildungspartnerschaft“ gab Klaus Dahm, Abteilungsleiter der Landesfachstelle München. Unterrichtspraktische Beispiele in und mit der Schulbibliothek zeigte StD Elmar Hofmann aus Münchberg auf. Der Lehrer ist Regionaler Beauftragter für Leseförderung und Schulbibliotheksarbeit in Bayern. Praktisch umgesetzt sind seine Kenntnisse in der lokalen Gymnasiums-Bibliothek (13.000 Medien), die nach modernsten Prinzipien arbeitet. Schulspezifische Dienstleistungen des Medien- und Informationszentrums Biberach/Riß präsentierte Bibliotheksleiter Frank Raumel. Die Stadtbücherei Biberach leistet mit ihrem Medienangebot, mit Veranstaltungen und speziellen Angeboten zur Leseförderung professionelle Unterstützung.

Die dbv-Expertengruppe Kinder- und Jugendbibliotheken legte den Focus auf „Bildungspartnerschaften stärken“, auch unter dem Gesichtspunkt „Bibliothek als außerschulischer Partner“. Am Beispiel Hamburg wurde präsentiert, wie das Projekt „Buchstart“ Herausforderungen und Chancen bietet, bildungsferne Familien zu erreichen. Inbegriffen sind die Ausgabe von Lesestart-Paketen sowie Veranstaltungen für Kinder unter drei Jahren in verschiedenen Hamburger Stadtteilen unter dem Motto „Gedichte für Wichte“. Ute Hachmann aus Brilon stellte den überaus erfolgreichen Sommerleseclub vor, der mit 100 teilnehmenden Bibliotheken in den vergangenen Jahren eines der größten Netzwerkprojekte zur Leseförderung von Jugendlichen geworden ist. 2007 wurden mehr als 24.000 jugendliche Teilnehmer erreicht. 2008 wird der Sommerleseclub unter der Projektkoordination der dortigen Büchereizentrale flächendeckend in Schleswig-Holstein eingeführt. In Rheinland-Pfalz läuft das Programm unter der Bezeichnung Lesesommer und in Niedersachsen unter dem Motto Julius-Club.

Bildungspartner der Bibliothek kann auch die Volkshochschule sein nach dem Motto „Alle in einem Boot“. Denn öffentliche Bibliotheken und Volkshochschulen sind in den Kommunen Vermittler von Informationskompetenz und bieten Schlüsselqualifikationen für das lebenslange Lernen sowie Hilfen bei persönlicher Lebensgestaltung, Weiterbildung und Alltagsmanagement. Die Podiumsdiskussion zeigte Möglichkeiten der wechselseitigen Vorstellungen und Erwartungen beider Einrichtungen auf und konkretisierte dies anhand von Beispielen aus der Praxis (Hammelburg und Unna). Bei der vom dbv, Sektion 3A, 3B und 6 vorbereiteten Veranstaltung hatte Ute Flammersheim, Kulturamtsleiterin aus Lohr, die Moderation übernommen und Klaus Dahm, Abteilungsleiter der Landesfachstelle München formulierte die Erwartungen von Bibliotheken an die Volkshochschulen. Sein Fazit war, dass die Kooperation mit der vhs eine wichtige Rolle spielt, wenn öffentliche Bibliotheken ihre Funktion, Lernbegleiter vom Kindergarten- bis zum Seniorenalter zu sein, erfüllen wollen.

Beim Themenkreis „Management und betriebliche Steuerung“ ging es bei einer von der Fachkonferenz der Bibliotheksfachstellen in Deutschland organisierten Veranstaltung um öffentliche Bibliotheken als Problemlöser im gesellschaftlichen Wandel, wobei Bibliothekskonzepte als geeignetes Mittel zur Profilierung und Verankerung öffentlicher Bibliotheken vor Ort dienen können. Günter Bassen, Lüneburg hatte die Moderation und den Einführungsvortrag bei diesem Programmpunkt übernommen. Den theoretischen Unterbau zum Inhalt und Aufbau von Bibliothekskonzepten referierte Meinhard Motzko und neben anderen Bibliotheken berichtete Andrea Beißner aus Töging von ihren Erfahrungen mit der Implementation eines Bibliothekskonzeptes. Sie zog das Fazit, dass es bezüglich der Bibliotheksgröße keine Grenze nach unten für ein solches Vorgehen gibt (Töging: 9.400 Einwohner, 16.000 Medien).

Auch BIX, Betriebsvergleich und Management waren wieder Thema. Bei einer Veranstaltung des BIB/VDB referierte Thomas Stierle aus Ludwigsburg über Benchmarking in öffentlichen Bibliotheken. Petra Büning, Düsseldorf, stellte Bezüge zwischen Betriebsvergleich und Qualitätsmanagement sowie deren unterschiedliche Ansätze dar (vgl. Abstract ihres Vortrages).

Die Abschlussveranstaltung unter dem Motto „die Enquete-Kommission Kultur und die Bibliotheken: Die nächsten Schritte“ moderierte Dr. Ulrich Hohoff, Vorsitzender des VDB. Die Enquete-Kommission „Kultur“ des Deutschen Bundestags hat im Dezember 2007 Empfehlungen vorgelegt, die darauf abzielen, die rechtliche und gesellschaftliche Stellung der Bibliotheken in Deutschland zu verbessern. Es stellte sich die Frage, wie diese in der Praxis umzusetzen sind. Hierzu nahmen bei dieser Podiumsdiskussion Politiker und Bibliotheksleiter Stellung: Dr. Georg Ruppelt, Direktor der Landesbibliothek in Hannover und stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Kulturrates; Steffen Reiche (SPD), Mitglied des Deutschen Bundestages und der Enquete-Kommission Kultur, ehemals Kultusminister in Brandenburg; Ulrich Grünhage, Fraktionsgeschäftsführer der CDU im Thüringer Landtag; Dr. Sabine Homilius, Direktorin der Stadtbücherei Frankfurt; Harald Pilzer, Leiter der Stadtbibliothek Bielefeld. Auch die Zuhörer bekamen die Möglichkeit, sich an der Diskussion zu beteiligen.
Fazit: Die Politik kann das Thema „Bibliotheksgesetz“ nicht mehr einfach ignorieren. Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion sehen Anlass zur Hoffnung, dass nach dem Vorbild Thüringen Bibliotheksgesetze auch in anderen Bundesländern konkrete Gestalt annehmen könnten (vgl. auch die Zusammenfassung der Abschlussveranstaltung im Blog Bibliotheksrecht).

Abgerundet wurde das informative und reichhaltige Programm des Bibliothekartags in Mannheim durch eine Firmenausstellung von bibliotheksrelevanten Anbietern.

Die bislang von den Referentinnen und Referenten zu Verfügung gestellten Vorträge sind auf dem BIB-Opus-Server zu finden. Die Liste der Tagungsbeiträge ist thematisch und nach Referenten geordnet und wird demnächst vervollständigt.

Sabine Teigelkämper

Fortbildungsprogramm des 97. Deutschen Bibliothekartages in Mannheim
Musterbibliotheksgesetz (dbv)
Strategiepapier „21 gute Gründe für gute Bibliotheken“ (BID)
Blog „21 gute Gründe für gute Bibliotheken“ (BID)
Vorträge zum Bibliothekartag in Mannheim (BIB-Opus-Server)

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